Thomas Kuwatsch im Interview mit European Capital: "Wir wollen unser Geschäftsmodell zügig skalieren."

27. Juli 2023

Thomas Kuwatsch im Interview mit European Capital: "Wir wollen unser Geschäftsmodell zügig skalieren."


Sehr geehrter Herr Kuwatsch, beschreiben Sie uns das Geschäftsmodell der 2018 gegründeten ARI Motors bitte kurz in drei Sätzen.


Wir konzipieren und produzieren kleine, elektrisch betriebene Elektrofahrzeuge für Gewerbekunden. Diese sind erschwinglich im Unterhalt und günstig in der Anschaffung und selbst wenn mal etwas repariert werden muss, sind auch hier Teile verfügbar und vergleichsweise preiswert. Wir bieten den Kunden sehr individuelle Fahrzeuge, die sonst nur schwer in dieser Detailtiefe zu finden sind.


Die Aktien der ARI Motors Industries SE werden seit vergangenem Donnerstag am deutschen Kapitalmarkt gehandelt. Derzeit können sich Investoren mit einer Vorliebe für „grüne Investments“ bzw. „potentielle Kursraketen à la Tesla“ Ihre Aktien unter der WKN A3D6Q4 an den Börsenplätzen Düsseldorf und Frankfurt zulegen. Was war Ihre Motivation für den Schritt an die Börse und was erhoffen Sie sich von der Börsennotiz der ARI-Motors-Aktie in Zukunft?


In erster Linie planen wir, die Anzahl der auszuliefernden Fahrzeuge deutlich zu erhöhen und damit auch den Umsatz und das Ergebnis zu steigern. Im zweiten Schritt ist geplant, den Bestand an vorrätigen Fahrzeugen zu erweitern, um Spontankäufer ebenfalls bedienen zu können. Da rechnen wir mit etwa 20 % Zuwachs an entsprechenden Verkäufen. Final sehen wir durch diesen Börsengang die Chance, ARI Motors weiterzuentwickeln, neue Fahrzeuge einzuführen und so für mehr erschwingliche Elektromobilität bei Gewerbetreibenden zu sorgen.


McKinsey hat elektrische L6- und L7-Fahrzeuge in seiner jüngsten Studie als „disruptive technology“ für die nächste Evolutionsstufe im Bereich der Personenfahrzeuge bezeichnet. Das Markvolumen liegt laut McKinsey im dreistelligen Milliardenbereich (weltweit). Was sind L6- und L7-Fahrzeuge und welche Vor- bzw. Nachteile bieten diese? Wie viele der von ARI Motors angebotenen Fahrzeuge fallen in diese Kategorie?


Der überwiegende Teil unserer Fahrzeuge gehört der Kategorie der Leichtfahrzeuge an. Diese Fahrzeuge überzeugen durch geringen Platzbedarf, geringes Gewicht und damit einem deutlich geringeren Verbrauch. Die Fahrzeuge können sehr wirtschaftlich bewegt werden und widerlegen das Argument, Elektromobilität sei teuer und unerschwinglich. In Zeiten knapper Kassen bei Kommunen und Gemeinden werden leichte Elektrofahrzeuge eine wichtige Alternative darstellen, die es kostengünstig ermöglicht, weiterhin dem öffentlichen Auftrag in Bezug auf Pflege und Sauberkeit auf öffentlichen Plätzen nachzukommen.


Thema Förderungen: Der Umweltbonus für den Kauf von Elektroautos ist ein großes Thema – gerade auf politischer Ebene. Damit der Kaufpreis erschwinglicher wird, gibt es im laufenden Jahr gemäß ADAC einen Zuschuss von bis zu 6.750 EUR. Wie sieht das bei den Fahrzeugen der ARI Motors Industries SE aus?


Aktuell gibt es leider keine bundeseinheitliche Förderung für kleine leichte Elektrofahrzeuge der Klassen L1e bis L7e. Für uns und unsere Kunden unverständlich, da ein 2-Tonnen-Elektrofahrzeug gefördert wird und ein 600-kg-Transportfahrzeug mit halb so viel Verkehrsraumnutzung und halb so viel Energieverbrauch auf 100 km keinen Cent Förderung bekommt. Hier sollte durch die Politik nachgebessert werden.


Stichwort: Bestellstopp Smart Fortwo: Die großen Automobilkonzerne ziehen sich mehr und mehr aus dem Bereich der kleineren und günstigen Personenfahrzeuge zurück. Hieraus ergibt sich ein Marktvolumen von rund 27 Milliarden EUR. Wieso kehren Mercedes & Co diesem Segment den Rücken zu, wieso ist dieses Marktsegment trotzdem oder gerade deshalb so aussichtsreich für ARI Motors und wie viel Marktanteil kann sich ARI Motors realistischer Weise hiervon schnappen?


Die etablierten Automobilkonzerne ziehen sich allesamt aus dem Segment der kleinen Personenfahrzeuge zurück, da hier die Margen zu klein sind und das Segment damit an wirtschaftlicher Attraktivität verliert. ARI Motors steht für kleine, clevere Fahrzeuge, die dem Besitzer dank ihres Werkzeugcharakters einen großen Nutzen erbringen. Deshalb sehen wir diese sich aufzeigende Marktlücke als Chance, diese unmittelbar zu besetzen, da der Bedarf an kleinen Fahrzeugen weiterhin gegeben ist, denn nicht jeder Autofahrer möchte und will unbedingt einen SUV fahren.


Welche Fahrzeugtypen hat ARI Motors bereits im Sortiment und welches Modell wird am meisten verkauft? Könnten Sie uns die Top 3 in Prozent inklusive der durchschnittlichen Verkaufspreise und Margen nennen?


Der aktuelle Bestseller ist der ARI 458, der ab 14.700 EUR netto startet und hier oftmals in der Version mit Kofferaufbau geordert wird. Der nächste Bestseller ist der ARI 345, der ab 6.990 EUR zu haben ist und damit einen ähnlichen Preis aufruft wie ein Lastenbike, mit dem Unterschied, dass der ARI 345 300 kg Nutzlast hat und auch noch 45 km/h schnell ist. Der dritte Bestseller ist der ARI 902 als 2-sitziger, komfortabler Cityflitzer, der gerade für Gewerbetreibende gedacht ist, die vorrangig allein und mit wenig Gepäck unterwegs sind, wie z.B. Pflegedienste, Immobilienmakler oder Versicherungsvertreter. Für diese stellt der ARI 902 eine Alternative zum auslaufenden Smart Fortwo dar.


Wo wir schon von Marktvolumina sprechen: Wie sehen Ihre Umsatzplanung und Ertragserwartung für die kommenden drei Jahre aus?


Hier beobachten wir die aktuelle Entwicklung in Bezug auf Kaufbereitschaft und Interesse an unseren Produkten sehr genau und gehen konservativ von einer Verdopplung des Verkaufsvolumens zum Vorjahr aus.


Welchen Kapitalbedarf hat ARI Motors, um dieses Wachstum stemmen zu können? Wie sehen aktuell die Produktionskapazitäten (Tschechien, China, Deutschland) und Vertriebsstrukturen aus?


Unser Kapitalbedarf hängt unmittelbar von den aktuellen Bestellungen ab. Derzeit haben wir einen Bedarf an 2 Millionen Euro, um mittelfristig die offenen Bestellungen abzuarbeiten. Mit mehr Marketing erzeugen wir mehr Bestellungen, welche abermals vorfinanziert werden müssen. Hier planen wir mit den Mitteln aus dem Börsengang, um unser Geschäftsmodell zügig zu skalieren.


Gemäß der Studie von Shell „E-Mobilität ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“ vom Juni 2023 nimmt die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen in mehreren europäischen Schlüsselmärkten weiter zu. Ab wann expandiert ARI Motors über die Grenzen Deutschlands hinaus und welche Länder stehen hier auf der Wunschliste?


Wir haben bereits im Vorfeld unsere Website in Spanisch, Italienisch, Französisch und Englisch übersetzt. Sobald wir merken, dass einer dieser Märkte eine ähnliche Dynamik entfaltet wie der deutsche Markt, sind wir bereit, auch dort unser Geschäftsmodell auszurollen und somit weitere Märkte zu erobern.


Wo sehen Sie ARI Motors in 5 Jahren?


Innerhalb von fünf Jahren ist es uns gelungen, durch Partnerschaften mit Fahrzeughändlern 8.000 – 10.000 Fahrzeuge pro Jahr zu verkaufen. Wir erlösen durch „Predictive Maintance“ deutlich mehr im After-Sales-Geschäft als bisher und können durch die sehr enge Bindung zum Endkunden neue Fahrzeuge und Fahrzeugkonzepte zügig und zielgerichtet konzipieren, entwickeln und verkaufen, um noch mehr unterschiedliche und individuelle Fahrzeuge an Geschäftskunden in Deutschland und Europa liefern zu können.